Baumschul-, Aufforstungs- und Landwirtschaftsprojekt in der Gemeinde Kailash, Distrikt Makwanpur, Nepal
Nepal ist ein ethnisch sehr vielfältiger Staat mir rund 30,5 Millionen Menschen (2022); nach der letzten Volkszählung in 2011 lebten in den sieben Provinzen mehr als 125 ethnische Gruppen und Kasten. Der Bevölkerungsanteil in den Berg- und Hügelregionen nimmt ständig zu Gunsten des Terai (Flachland) ab; obgleich Nepal überwiegend ländlich geprägt ist, findet eine rasante Urbanisierung statt. Binnen- vor allem aber auch Emigration führen zu einer partiellen Armutsminderung und Verbesserung des wirtschaftlichen Wohlstands, haben aber auch in manchen Regionen durch Abwanderung gravierende soziale Folgewirkungen (https://nepal.unfpa.org/sites/default/files/pub pdf/Nepal%20Population%20Situation%20Analysis.pdf).

Obwohl sich in den zurückliegenden Jahren die ökonomischen Bedingungen leicht verbessert haben beherrschen Armut und Ungleichheit nach wie vor die nepalesische Gesellschaft; eingetretene Verbesserungen sind nur graduell. So beträgt das Pro-Kopf-BIP 2022 lediglich 1.336 US$ (https://data.worldbank.org/country/nepal), der drittniedrigste Wert in Asien. Den Weltbankstatistiken zur Folge lebten 25,2% der Bevölkerung mit Einkünften, die unterhalb der nationalen Armutsgrenze liegen (https://data.worldbank.org/country/nepal; SDG-Ziel : No Poverty); die Deutsche Welthungerhilfe eV führt aus : „2019 lebten 39 Prozent der Bevölkerung in Armut und von 3,20 US-Dollar oder weniger pro Kopf und Tag, während 8 Prozent der Nepales*innen von maximal 1,90 US-Dollar pro Kopf und Tag in extremer Armut lebten. Letzterer Wert lag 2003 noch bei 50 Prozent“ (https://www.globalhungerindex.org/de/case-studies/2020-nepal.html).


Für die Entwicklung Nepals, die Versorgung der Bevölkerung ist die Landwirtschaft von großer Bedeutung, in der 70 Prozent der Beschäftigten arbeiten. Deren Beitrag zum BIP sind nur 25%, wohingegen z.B. im Dienstleistungssektor 51% erwirtschaftet werden (https://data.worldbank.org/country/nepal). Ursächlich für den geringen Beitrag zum BIP sind vor allem der geringe Landbesitz, die oft schlechte Eignung der Flächen aufgrund der geologischen Bedingungen, die geringe Produktivität und fehlendes Wissen über ertragreichere Crops und Anbaumethoden.

Zwar ist die Produktivität bei einigen landwirtschaftlichen Produkten in den zurückliegenden Jahren gestiegen, dennoch erreichen sie immer noch nicht den Durchschnittswert in Südasien. Während im Terai nach und nach eine Mechanisierung der Landwirtschaft zu sehen ist mit der Folge besserer Ernten, findet im Berg- und Hügelland fast ausschließlich händische Bestellung der Felder statt. Nur knapp die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen wird, nahezu ausschließlich im Terai, bewässert, der Rest erfolgt im sogenannten Regenfeldbau mit der Konsequenz, besonders anfällig für die Folgen des Klimawandels und Sonderereignisse zu sein. Neben begrenzter landwirtschaftlicher Beratung der Bauern in Berg- und Hügelregion, der fehlender Wissensvermittlung einer besseren, ertragreicheren und den sich wandelnden und gewandelten klimatische Bedingungen besser angepassten landwirtschaftlichen Erzeugung, limitiert ein weiterer Faktor die Entwicklung : die durchschnittliche landwirtschaftliche Fläche einer Bauernfamilie beträgt nur 0,7 Hektar, wobei sogar mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Haushalte lediglich weniger als 0,5 Hektar besitzen (https://www.npc.gov.np/images/category/PDNA_volume_BFinalVersion.pdf ), zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Die Subsistenzwirtschaft dominiert die meisten landwirtschaftlichen Haushalte; der Ernteertrag reicht in vielen Fällen nicht, um über das Jahr zu kommen.
Dies ist der Rahmen, in dem das von uns geförderte Projekt der Shangrila Entwicklungshilfe, Zürich (https://waisenkind.ch), zusammen mit der Partnerorganisation in Nepal, der Shangrila Development Association (SDA), Kathmandu, Nepal (https://sdanepal.org) aufgesetzt wurde. Das Projekt zielt auf die Volksgruppe der Chepang ab, der nach dem Census von 2011 ca. 58.000 Menschen zugeordnet werden, eine von 59 Stämmen in Nepal, die jedoch höchst vulnerabel ist.


Der größte Teil der Volksgruppe lebt in den entfernten Hillregionen der Distrikte von Chitwan, Makwanpur, Dhading und Gorkha, oft Regionen, die kaum erschlossen, über wenig Infrastruktur verfügen, deren Bewohner bei Anlegen sozio-ökonomischer und politischer Indikatoren äußerst marginalisiert sind. Bis vor etwa 1 ½ Generationen waren die Chepang Nomaden, lebten als Jäger und Sammler in den Nepals Wäldern. Die meisten Chepang besitzen keine offizielle Staatsbürgerschaft oder eine Geburtsurkunde, können daher kein Land besitzen und, falls sie ein Stück Land bewirtschaften, jederzeit vertrieben, „enteignet“ werden. Inzwischen sind sie weitgehend sesshaft geworden, ihnen wird oft ein halbnomadisches Leben attestiert, betreiben eine rudimentäre Subsistenzlandwirtschaft, die häufig zum Überleben nicht ausreicht. Manche Studien sprechen davon, dass die Erträge für 3-6 Monate eine Ernährung möglich machen, dann wird gehungert, sich von wilden Pflanzen etc. ernährt. Die Ernährungslage der Chepang ist somit höchst unsicher. Studien sprechen davon, dass 37,5% der Chepanghaushalte nicht in der Lage sind, den täglichen Mindestbedarf an Kalorien zu sich zu nehmen (https://www.growfurther.org/harnessing-underground-crops-for-better-food-and-nutrition-security-among-nepals-indigenous-li-birds-story; https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-981-13-5784-8_5). Die schlechte sozio-ökonomische Lage korrespondiert eng mit Bildungsstatus, Lebenserwartung, Gesundheit.

Damit das auf die Verbesserung der Lebensbedingung der Chepang zielende Projekt sich an der Situation vor Ort bestmöglich orientieren kann, hat SDA in zwei der im Distrikt Makwanpur in Frage kommenden Chepangdörfern mit 1800 Chepang-Einwohnern in 246 Haushalten, Kalikatar und Bharta, mehrere Umfragen durchgeführt, ein Rapid Rural Appraisal und ein Participatory Rural Appraisal, um die Situation in den Dörfern bestmöglich einschätzen zu können. So zeigte sich eine Alphabetisierungsquote je Dorf zwischen 34% und 10%, dass 1100 Kinder der Gesamtgemeinde eine Schule besuchten, von denen jedoch 350 die Schule abbrachen, das monatliche Haushaltseinkommen um 70€ lag, fast 50% der Haushalte über keine Toiletten verfügen, die Kinder- und Säuglingssterblichkeit extrem hoch war. Daraus wurden vier Projektfelder identifiziert, Bildung, Gesundheit, Umwelt und Agrarwirtschaft.
In 2019 haben wir entschieden, das daraus abgeleitete Gesundheitsprojekt in den Dörfern Kalikatar und Bharta der Kailash Rural Municipality, Distrikt Makwanpur, über einen längeren Zeitraum von 2019 bis 2023 maßgeblich zu unterstützen. Das hier weiter geschilderte Vorhaben, ein Baumschul-, Aufforstungs- und Landwirtschaftsprojekt in der politischen Gemeinde Kailash Rural Municipality, zu der die Siedlungen Makwanpur und Bharta gehören, Distrikt Makwanpur, Nepal, soll in den Projektfeldern Umwelt- und Agrarwirtschaft verbesserte Rahmen- und Lebensbedingungen schaffen. Die Anschubfinanzierung dieses Projekts hat die Stiftung Solidarität und Gerechtigkeit für den Zeitraum 2022 – 2024 übernommen.
Zu diesem Zweck hat SDA ein 1,8ha großes Grundstück erworben mit folgender funktionaler Aufteilung:

Der hier etablierte Biobauernhof wird als Modell- und Schulungshof betrieben, ist Basis für Impulse, um die Produktivität, den Selbstversorgungsgrad, die generelle Ernährungs- und Gesundheitssituation der Dorfbevölkerung zu verbessern, über effiziente landwirtschaftliche Methoden und Verfahren aufzuklären. Gemüse und Obst sind für viele Nepali, insbesondere den Armen, nicht erschwinglich, durch forcierten, angeleiteten Eigenanbau ist eine Verringerung von Mangelernährung möglich. Nachfolgende Ziele werden verfolgt, entsprechende Impulse ausgelöst:
- Gemüse-/Küchengarten für den eigenen Bedarf, zum Verkauf, für die Bewohner des Girlshostels sowie die Versorgung von mehr als 500 Schülern der 5 Gemeindeschulen mit Essen.


- Erproben neuer Sorten von Gemüse, für Schulungszwecke

- Agroforstwirtschaft, auch zur Ermunterung der Landwirte zum Obstanbau, z.B. von Avocado, Guave, Moringa, Mandola, Litschi oder Jack-Früchte.; die Zahl der in der Agroforstwirtschaft angebauten Früchten steigt ständig, in 2023 stieg die Vielfalt um 13 neue Früchte.


- Baumschule, Anzucht von Ertrag bringenden Nutzbäumen (Futter-, Heil-, Obstpflanzen), Bäume zur Wiederaufforstung, generieren von Sprösslingen für die Parzellen der Bauern, um eine weitere Diversifizierung der Nutzpflanzen zu befördern; Schulung der Bauern, die für die Region besonders geeigneten Bäume auf ihrem Grundstück zu pflanzen, zu pflegen und zu erhalten.


- Tierhaltung, insbesondere von Kühen und Ziegen
- Modellprojekt zur Wissensvermittlung über ökologische Produktionsmethoden, zu Schulungszwecken, als Ausbildungsbetrieb, zur Erzeugung von organischem Dünger.


Ergänzt wird das Projekt Modellbauernhof durch eine Vielzahl weiterer sogenannter one-time-Maßnahmen, deren Nutznießer die Bevölkerung ist, wie z.B. Anlage von Bewässerungssystemen (https://sdanepal.org/sustainable-approach-for-higher-production-in-organic-farming), Zisternen, gemeinschaftliche Produktion von Biodünger, Aufforstungsinitiativen etc. In die Umsetzung werden immer die Bewohner einbezogen.


Auch befördert durch den Bau von Tunnelgewächshäusern war die Massenproduktion von Gemüse sehr erfolgreich. Neben dem eigentlichen landwirtschaftlichen Betrieb, der Ausbildung junger Menschen, zielt das Projekt auf die Schulung von Landwirten der Gemeinde und umliegender Ortschaften ab, vermittelt u.a. in zweitägigen Veranstaltungen Basiswissen für eine bessere und produktivere ökologische Landwirtschaft, z.B. in theoretischen und praktischen Schulungen zur Verteilung von Saatgut und effektiven Mikroorganismen, Umgang mit Zitrusfrüchten, Vertrieb von landwirtschaftlichen Produkten, Bewirtschaften von landwirtschaftlichen Flächen.


In den 5 umliegenden Weilern wurden Bauerngruppen initiiert, die sich regelmäßig zum Wissens- und Erfahrungsaustausch, zu Schulungen treffen. Die Weitergabe von auf dem Hof gezogenen Samen von Gemüse und Nutzpflanzen an die Teilnehmenden trägt dazu bei, dass die Vielfalt und Qualität der bäuerlichen Produktion wächst, die Bedingungen für die Eigenversorgung verbessert, die Einkommenschancen durch Verkauf von Erzeugnissen mittelfristig steigt. Durch gemeinsame Exkursionen zu etablierten ökologischen Bauernhöfen und Musterbetrieben einheimischer Landwirte wurden weitere Anstöße für die eigene landwirtschaftliche Arbeit ausgelöst (https://sdanepal.org/exposure-to-organic-farms-a-pathway-to-agriculture-literacy).
Die erfolgreiche Arbeit in diesem Projekt beschreibt auch sehr anschaulich und beeindruckend der Post von Juni 2024 des lokalen Partners vor Ort, der Shangrila Development Association, (https://sdanepal.org/achims-agriculture-field-present-and-future).


Mit diesen weitgefächerten Aktivitäten wird erkennbar das Bewusstsein der lokalen Bauern für eine nachhaltige Forstwirtschaft, Verringerung der Bodenerosion und übermäßigen Abholzung gefördert, viele Bauern in die Lage versetzt, durch Eigenanpflanzung und Pflege geeigneter Nutzbäume, verbesserte, ertragreiche und vielfältigere Gemüsesorten und Anbaumethoden, mehr Wissen über Düngung, Pflege, Bewässerung ihre wirtschaftliche und Ernährungssituation zu verbessern, neue Einkommensmöglichkeiten zu schaffen.
© der Fotos Stiftung Solidarität und Gerechtigkeit bzw. Shangrila Development Association